Andreas Rainer erklärt, wie man die lebenswerteste Stadt der Welt überlebt.
Von Josef Bordat
Die Zeitschrift „The Economist“ setzte Wien 2023 in Sachen Lebensqualität wieder auf Platz eins der Städte weltweit. „Ausschlaggebend für die Bewertung war die hohe Lebensqualität: Die österreichische Hauptstadt punktete mit einem reichhaltigen Kulturangebot, guter Infrastruktur und hoher Sicherheit. Damit holte Wien nach 2018, 2019 und 2022 bereits zum 4. Mal in 5 Jahren die Spitzenposition in der Wertung“, so die prämierte Stadt auf ihrer offiziellen Website.
Wien ist weltberühmt für Schnitzel, Prater und Opernball. Auch das traditionelle Neujahrskonzert wird global rezipiert. Doch die irrwitzigsten Vorstellungen spielen sich auf den kleinen Gassen der Stadt ab, nicht auf ihren großen Bühnen. Jeder Besuch im Kaffeehaus wird zum Kabarett, jede Fahrt mit der Straßenbahn hat das Potenzial zur Tragödie. Wo auch immer man hingeht, die österreichische Hauptstadt ist eine einzige Bühne, auf der Kellnerinnen, Straßenkehrer und Passanten zu Hauptdarstellern einer niemals endenden Vorstellung werden.
Jemand, der sich damit auskennt, ist Andreas Rainer, der Wiener Alltagspoet. Er verbrachte drei Jahre in Nordamerika, wo er im Montreal Holocaust Memorial Centre seinen Zivildienst absolvierte und danach mittels Fulbright Stipendium am Bard College und der University of Connecticut unterrichtete. Nach sechs Jahren als Marketing Director für eine Social Media Plattform aus San Francisco beschloss er 2017, diese Karriere hinter sich zu lassen, um seinen Traum vom Schreiben zu verfolgen. Noch im selben Jahr gründete er die Instagram Seite Wiener Alltagspoeten auf der er seitdem Zitate und Beobachtungen aus dem Alltag Wiens für mittlerweile 180.000 Follower veröffentlicht. Was als kurzzeitiges Experiment geplant war, wurde zu einer der meist gelesenen Seiten Österreichs. Und nun hat Andreas Rainer sein gesammeltes Wien-Wissen in Buchformat gebracht: „Wie man die lebenswerteste Stadt der Welt überlebt“, so der süffisante Titel.
Andreas Rainer taucht in seinem Buch mit 50 mal deftigen, mal sarkastischen Zitaten aus dem Alltagsleben tief in das Herz der Wiener Seele ein, um den unmöglichen Widerspruch einerStadt abzubilden, in der man zwar die Muße hat, den ganzen Tag im Kaffeehaus zu sitzen, aber schon eine Panikattacke bekommt, wenn die U-Bahn erst in sechs Minuten kommt. Dazu gibt es ein „Wien-Wörterbuch“. Und einen Kommentar zur „The Economist“-Rangliste haben die Wiener Alltagspoeten natürlich auch – Frau: „Jetzt hams Wien scho wieder zur lebenswertesten Stadt der Welt gewählt“ / Älterer Herr: „Najo, anderswo isses halt noch gschissener“. Für Freunde wie Skeptiker der lebenswertesten Stadt ein lesenswertes Buch.
Andreas Rainer / Wiener Alltagspoeten: Wie man die lebenswerteste Stadt der Welt überlebt. Wien-Liebe to go. Story.one – the library of life (2024). 98 Seiten, 18 €. ISBN: 978-3903715349.
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